Die Rieseler Waldkapelle hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Die Kapelle wurde im Jahre 1739 vom Brakeler Bürgermeister Johannes Crux und seiner Frau Eva Gertrud Becker in Auftrag gegeben und der „Heimsuchung Mariens geweiht“. Die Inschrift über der Tür lautet wie folgt:
Dieses Heiligtum weihen Dir, o Jungfrau, die unten genannten. Sei ihnen eine wohlwollende Königin und Helferin.
Johannes Crux, Bürgermeister in Brakel,
und Eva Gertrud Becker aus Dringenberg,
Eheleute
Die Kapelle ist ein quadratischer Fachwerkbau. Die weißen Felder mit den schwarzen Balken bilden mit dem satten Grün des Waldes einen schönen Kontrast, so dass die Kapelle weithin sichtbar ist. Außerdem geben ihr die unüblich schräg zu einer Zickzacklinie angeordneten Balken etwas lebendiges und Aufwärtsstrebendes
Im Band 24 der Zeitschrift für vaterländische Geschichte heißt es auf Seite 292: „Die Waldkapelle bei Riesel, die Klus genannt, auf freundlicher Höhe am Saume des Waldes gelegen, wurde vom Weihbischof Pantaleon Bruns geweiht.“
Im Jahre 1834 wurde die Kapelle instand gesetzt und auch ein neues Altarbild eingefügt. Dieses Bild wurde in Alhausen hergestellt (Künstler unbekannt) und stellte Zacharias, Elisabeth und Maria dar. Leider ist dieses Bild heute nicht mehr vorhanden.
Das Innere wird beherrscht durch einen herrlichen, aus Alabaster hergestellten Barockaltar. Eine Inschrift im unteren Teil datiert seine Errichtung auf den 26. Juni 1734; er ist also 5 Jahre älter als die Kapelle. Er befand sich früher in der Antoniuskapelle der Kapuzinerkirche in Brakel. Nach Aufhebung des Kapuzinerklosters kam der Altar im Jahre 1840 auf Veranlassung der Regierung in die Rieseler Kapelle. Früher war unten im Altar noch ein Gemälde welches die Krönung Mariens darstellte. Es wurde von Kaplan Reker durch eine Nachbildung des berühmten Gnadenbildes von der „Immerwährenden Hilfe“ ersetzt. Das Originalgemälde hat Kaplan Reker an den Pastor Wurm in Brakel verschenkt mit der Auflage, das Bild nach dem Tode des Pastors zurückzugeben. Es war defekt und eine Restaurierung hätte große Kosten verursacht. Das Gemälde wurde wieder instand gesetzt und befindet sich jetzt oben im Annenaltar der Brakeler Pfarrkirche.
Im März 1844 wurde das Dach der Kapelle neu gedeckt und 1845 wurde die Glocke für 17 Taler umgegossen. Der Vorsteher Müller pflanzte bei der Kapelle im Jahre 1849 zwei Lindenbäume die heute noch stehen.
Im Zuge der Kirchenausmalung durch den Kirchenmaler „Karl Vath“ aus Koblenz wurde 1907 die Waldkapelle mit ausgemalt. Ebenfalls im Jahre 1907 wurden die Statuen des hl. Augustin und des hl. Liborius, die ursprünglich im Jahre 1812 aus dem Abdinghofkloster in Paderborn nach Riesel gekommen waren, in der Waldkapelle aufgestellt.
Weiterhin wurde eine sehr alte Statue der hl. Mutter Anna, welche auf dem Kirchenboden gefunden worden war, zur Kapelle heraufgebracht.
Der von Riesel zum Westerlindenfeld verzogene Gutsbesitzer „Joseph Müller“ schenkte der Kapelle einen neuen Predigtstuhl. Die Rentner Heinrich Müller und Frau Elisabeth Bockelmann schenkten im Jahre 1912 zu Mariä Heimsuchung 6 Altarleuchter zum Preis von 62 Mark. 1913 ist die Waldkapelle leztmalig gründlich überholt worden. Die erforderlichen Mittel stiftete ebenfalls das Rentner-Ehepaar Heinrich Müller und Frau Elisabeth Bockelmann, welche im Jahre 1911 von Bredelar nach Riesel gezogen waren.
Weitere Stiftungen kamen vom Landwirt „Ferdinand Bobbert“ und dem Gastwirt „Johann Tegetmeier“. Ferdinand Bobbert stiftete die Statue des hl. Antonius, die der Tischlermeister „Johann Pott“ aus Riesel angefertigt hatte. Das neue Altarbild von der „Immerwährenden Hilfe“ kam vom Gastwirt Tegetmeier. Ein weiteres altes Bild in der Kapelle stellt den hl. Aloysius dar. Dieses Bild weist ein Kuriosum auf. Unten links ist die Kapelle dargestellt und unten rechts ist ein kleines Bild von der Eremitenklause eingefügt. Zwischen den beiden Bildchen ist der Eremit zu sehen.
Mit dem Bau der Kapelle am Rande des Triftholzes bemühten sich die Rieseler um die Erlaubnis, in der seit undenklichen Zeiten abgehaltenen Prozession am Feste Mariä-Heimsuchung das Allerheiligste mitführen zu dürfen. Zu diesem Zweck überreichten sie eine Bitschrift an das Generalvikariat. Zu dieser Bittschrift, die leider nicht erhalten ist, gibt es folgenden Vermerk:
Akten Brakel Bd. I S. 210: Freitag 13. Juni 1738.
Ihre Exzellenz der Herr Oberjägermeister und Drost von der Asseburg lässt durch den Priester Rücker beim Generalvikariat eine Bittschrift der Gemeinde Riesel überreichen, worin dieser um die Erlaubnis nachsucht, die Prozession auf Maria Heimsuchung als theophorische halten zu lassen. Vom Generalvikar wurde daraufhin eine Conzessionsurkunde über die Abhaltung dieser Prozession verlangt. Da es diese Urkunde scheinbar nicht gibt, wird die Bittschrift an den Pfarrer von Brakel weitergeleitet. Pfarrer Bruns teilt mit, es bestehe kein Bedenken der Gemeinde Riesel die erbetene Erlaubnis zu erteilen. Die Prozession sei seit undenklichen Zeiten abgehalten worden zur Abwendung der häufigen Überschwemmungen und anderer Übel. Es beteiligten sich nur Einheimische daran; außerdem gäbe es kein wundertätiges Bild und Opfer würden ebenfalls nicht gegeben. Damit war der Einwand, die Rieseler Prozession schade der am gleichen Tage abgehaltenen Kleinenberger Prozession, entkräftet.
Der Pfarrer bittet, dass dem Wunsch der Gemeinde willfahrt werde. So ist es dann wohl geschehen. Die inzwischen weithin bekannte und beliebte Prozession ist in all den Jahren nur einmal ausgefallen und einmal abgebrochen worden:
1940 - Die traditionelle Prozession zu Maria Heimsuchung zur Waldkapelle fällt auf behördliche Anordnung aus. Begründung: Größere Menschenansammlungen tragen die Gefahr der Weiterverbreitung der Maul – und Klauenseuche in sich!!!
2000 - Wegen des miserabelen Wetters wird nach einem Segen sofort der Rückmarsch ins Dorf angetreten.
Eine weitere Geschichte in Verbindung mit der Waldkapelle sei hier noch erzählt:
Unter den Rieselern, die den napoleonischen Krieg von 1812 gegen Russland mitmachen mussten, befand sich auch Anton Rustemeier aus Haus Nr.3. Er soll aber
desertiert sein, denn eines Nachts klopfte er an die Tür des elterlichen Hauses und begehrte Einlaß mit den Worten: er sei Anton. Die Angehörigen zögerten
aufzumachen indem sie meinten, das sei nicht möglich, Anton befinde sich doch im Kriege in Russland. Als sie aber öffneten, mussten sie sich überzeugen, dass es
doch ihr Anton war, er war zu Pferde desertiert. Aber bald waren ihm die Häscher auf den Fersen, denn man suchte ihn. In Hanfens Hause wurde der Dachboden
durchsucht, man stach mit Säbeln durch die Strohbunde, um den Rustemeier aufzustöbern. Das letzte Bund wurde übersehen und in diesem Bunde steckte der
Gesuchte. Rustemeier zog es aber doch vor, sich ein anderes Versteck zu suchen. Er hielt sich nun lange Zeit auf dem Dachboden der Rieseler Waldkapelle verborgen.Die
Angehörigen brachten ihm dorthin täglich das Essen. Rustemeier zog sich infolge des langen Aufenthaltes in diesem ungesunden Versteck ein schweres asthmatisches Leiden zu, an dem er später starb. Der Sattel des Pferdes wurde fast 100 Jahre lang in Hanfens Hause aufbewahrt; er trug eingebrannt das Hoheitszeichen des französischen Kaiserreiches. So die Überlieferung noch um das Jahr 1945.
Benutzte Geschichtsquellen:
Zeitschrift für Vaterländische Geschichte: Band 24
Chronik der Gemeinde Riesel